Kurorte, Casinos und mondäne Bäder
Wiesbaden um 1910:
Idas und Augusts erste sentimentale Reise
Dostojewski ist längst tot, als Ida und August auf ihrer ebenso sentimentalen wie virtuellen Zeit-und-Raum-Reise um 1910 in der mondänen Kurstadt eintreffen. Jedoch können sich beide noch 30 Jahre nach dessen Tod die Anwesenheit des russischen Schriftstellers hier als einen inspirierenden Impuls vorstellen. Dostojewski reiste mehrmals nach Westeuropa, wobei er sich bemerkenswert ausdauernd in deutschen Städten aufhielt. Mindestens ebenso schicksalhaft wie zerstörerisch ist Dostojewskis Begegnung mit dem Roulettespiel zu nennen. Das war – wie alle Glücksspiele – in Russland streng verboten, während Casinos in den großen deutschen Kurorten zu den maßgeblichen Vergnügungen zählten. Man sagt, Dostojewskis Aufenthalt in Wiesbaden 1865 führte dazu, dass er seine Reisekasse verspielte.
Die Erlebnisse und Erfahrungen, die Dostojewski in Kurorten wie Baden-Baden, Bad Homburg und eben Wiesbaden ausgiebig machte, inspirierten ihn zu seinem Roman „Der Spieler”. Die Stadt Wiesbaden, der Kurpark, das Casino, aber eben auch das luxuriöse Hotel „Nassauer Hof” lieferten dem Autor die Vorlage für sein literarisches „Roulettenburg”. Dieses Hotel war das erste Haus am Platz – wie man damals so schön sagte. Zentral gelegen, nahe den wichtigen Orten der mondänen Kurstadt. Der Kochbrunnen, das Kurhaus mit dem Casino und schließlich das spektakuläre Theater der Stadt sind nur wenige Flanierminuten entfernt. Ja sogar der Bahnhof ist von hier nicht weit.
Deutsche Kurstädte wie Wiesbaden und Baden-Baden ziehen Russen bis heute scheinbar unwiderstehlich an. Ida und August sind keine Russen. Jedoch könnten beide durchaus Dostojewskis Roman gelesen haben. Und das könnte wiederum ein Grund sein, ihre Reise in Wiesbaden zu beginnen und hier dem genius loci nachzuspüren. Ob Dostojewski neben dem Casino und dem luxuriösen Hotel an Wiesbaden heutiger Prachtstraße auch tatsächlich gekurt hat, ist bisher wenig erörtert worden. Ida und August jedenfalls nutzen den Anlass ihrer virtuellen Zeit-und-Raum-Reise, um am Kochbrunnen vorbeizuschauen: dem innerstädtischen Ort mit Quelle für Trinkkuren.
Schließlich besuchen Ida und August noch den Neubau des Königlichen Theaters von Wiesbaden. Viele Jahre gab es ein Theater dort, wo jetzt das Hotel „Nassauer Hof” steht. Doch diese Aufführungsstätte war von Anfang an zu klein, so dass Ende des 19. Jahrhunderts ein prächtiger Neubau hermusste. Dieser an großen europäischen Theaterarchitekturen orientierte Neubau ergänzt das mondäne Ensemble zwischen Kuranlage mit Kurhaus, Casino, den Kolonnaden und schließlich dem Hotel „Nassauer Hof”. Vom Hotel sind es nur wenige Schritte zum Königlichen Theater.